Warum schreibe ich?
Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt. Etwa, um die Realität mit sprachlichen Mitteln zu spiegeln? Nein, denn dafür habe ich zu wenig Vertrauen in die Objektivität der Sprache. Wo sie ist, da ist der Mensch mit seinen Gefühlen, seinen Hoffnungen und Sehnsüchten, seinen Irrtümern und Ängsten. Vielmehr schreibe ich, um die Schönheit sichtbar werden zu lassen, die sich hinter den Dingen verbirgt. Um all die kleinen Wunder zu würdigen, an denen wir nur allzu oft blind vorübergehen, jene flüchtigen Augenblicke des Glücks, die wir nicht wahrhaben wollen. Ich schreibe, um der Realität etwas hinzuzufügen, sie neu zu erfinden. Schreibend vermag ich im Schein meiner Schreibtischleuchte an ferne Orte zu reisen, kann den Winter zum Sommer machen und, wenn ich denn will, den Sommer zum Winter. Ich lasse diesen Sehnsüchten ihren Lauf; oft staune ich dann selbst darüber, welche Wendungen ein Text bis zum Schluss nimmt. Dieses Abenteuer ist es mir immer wieder wert, einsam am Schreibtisch erlebt zu werden, mit einem leeren Blatt Papier vor mir und dem Füller in der Hand, leiser Musik lauschend, die zu Sprache wird, während die Sprache ihrerseits Musik wird …
Motive
Berg
Der Berg symbolisiert die Lebens→reise. Der Aufstieg zum Gipfel ist hart, doch von dort aus geht der Blick in alle Richtungen. Von unten betrachtet wirkt der Berg manchmal furchteinflössend und beengend, viel öfter aber beschützend. In Form eines Gebirges werden Berge zum trennenden Element, während der →Pass eine Verbindung schafft.
Fisch
Der Fisch lebt in einem Raum, der dem Menschen vielleicht noch ferner ist als die Weiten des Weltalls: im →Meer. Er blickt hinter dessen glitzernde Oberfläche. Seine Schuppen und Flossen machen ihn zu einem fremdartigen Wesen, welches die Tiefe auszuloten vermag und weiss, wie es dort aussieht, wo kaum noch Licht hinkommt. Somit steht er zusammen mit den anderen Meeresbewohnern für die unbewussten Tiefenschichten der menschlichen Seele.
Flug
Der Flug als Fortbewegungsart des →Vogels bedeutet Freiheit, Ungebundenheit. Oft kommt er in Verbindung mit dem →Traum vor, kann prophetisch sein oder auch ekstatisch.
Gebirge
Siehe →Berg.
Haus
Es ist der eigentliche Entfaltungsraum des Ich und bietet diesem Geborgenheit. In ihm ist alles wohlgeordnet. Das Haus eines anderen Menschen zu betreten heisst, Einblick in seine Seele zu erhalten.
Heimat
Sie ist der Ort, an dem man sich behütet fühlt, ist Ausgangspunkt für neue Erfahrungen. Manchmal engt sie aber auch zu sehr ein. Darum ist das →Reisen so wichtig. Es hilft, Abstand zu gewinnen und sich über sich selbst klar zu werden. Doch das Wissen um die eigene Herkunft ist gerade in der Fremde essenziell, denn ohne es wird das Denken und Fühlen schnell richtungslos und desorientiert.
Insel
Die Insel befindet sich inmitten der Weite des →Meeres und steht für Ungebundenheit, Freiheit, aber auch für Einsamkeit und einen Schwebezustand: Wer auf ihr lebt, kann überall hin und nirgends.
Japan
Viele meiner Texte spielen in Japan. Wieso? Weil es ein Land ist, das mich fasziniert, dem meine Sehnsucht gilt. Weil seine Sagenwelt für mich eine vielfältige Inspirationsquelle ist. Zugleich ist es uns auch heute noch in vielem fremd. Ich benutze diesen Verfremdungseffekt, der sich durch die Wahl Japans als Handlungsort ergibt, denn auch bewusst. Mancher Text ist für mich nur dort denkbar. Doch wenn ich ehrlich sein soll, ist es vor allem meine Liebe zu diesem Land, die mich Japan immer wieder als Schauplatz wählen lässt.
Kappa
Das Kappa ist ein Sagenwesen aus →Japan, halb Schildkröte, halb Affe. Es lebt im Wasser und überfällt gerne unvorsichtige Wanderer von hinten, um sie unter Wasser zu ziehen. Das Kappa symbolisiert das Unbewusste, Triebhafte, die uneingestandenen Leidenschaften, die einen hinterrücks überrumpeln können.
Krieg
Der Krieg stellt diejenigen, die von ihm betroffen sind, auf eine existenzielle Probe. Von einem Tag auf den anderen ist alles bedroht, Leben, Freiheit, Familie, Wohlstand. Meist trifft er die Schwächsten am härtesten. Und so steht er stellvertretend für all die Ungerechtigkeit in unserer Welt, für das Urtrauma der menschlichen Existenz an sich, das auch Generationen später noch nachhallt und →Ruinen hinterlässt – auch immaterielle.
Kristall
Er ist ein wertvoller, verborgener Schatz, der sich nur dem zeigt, der aktiv nach ihm sucht. Er steht für Erkenntnis.
Maske
Sie hat zwei Funktionen: Schutz und Verkleidung. Sie schützt uns vor der Aussenwelt (indem sie unsere wahre Identität verbirgt oder, als Atemschutzmaske, vor Krankheiten), aber sie hilft uns auch, uns anders zu geben, als wir sind. Wer sich hinter einer Maske verbirgt, muss sein wahres Ich nicht zu erkennen geben. Somit ist sie auch trügerisch. Wenn sie fällt, wird unsere wahre Absicht, unser wahres Wesen hinter ihr erkennbar.
Meer
Das Meer mit seinem tiefen Blau ist Sinnbild der Sehnsucht. Am Meer weitet sich der Geist, der Atem wird frei. Es kann trennen, noch mehr aber verbindet es. Hier wird alles möglich, der Weg in alle Richtungen ist frei. Doch es verbirgt unter seiner Oberfläche auch eine fremdartige, ferne Welt.
Musik
Die Musik öffnet neue Sphären. Sie hilft dem Menschen, dem Alltag zu entfliehen, ist Heilmittel für die Seele und vertreibt alles Belastende und Bedrohliche. Sie vermag Sehnsüchte zu stillen. Mit Musik kann ausgedrückt werden, wofür die Worte fehlen. Insofern zeigt sie auch die Beschränkungen der Sprache auf, mit der ich als Autor tagtäglich arbeite. Wenn ich schreibe, läuft im Hintergrund fast immer Musik.
Nacht
Nachts wird alles möglich. Im nächtlichen →Traum eröffnen sich neue Perspektiven. Die Nacht steht für Geborgenheit, ebenso oft aber auch für Einsamkeit. Sie ist der prophetische Hallraum, in dem Veränderung möglich wird und Lebensentscheidungen gefällt werden.
Pass
Der Pass als Übergang im →Gebirge bezeichnet den Punkt, an dem die Wiederkehr zur Option wird. Einen Pass überquert man bewusst, so, wie man auch Lebensentscheidungen klaren Sinnes treffen sollte. Er steht für den Beginn eines neuen Abschnitts, erlaubt gleichzeitig mit dem Blick nach vorne auch den zurück. Somit ist er ein verbindendes Element inmitten der unzugänglichen Bergwelt.
Regen
Der Regen reinigt nicht nur die Luft, sondern klärt auch die Gedanken. Besonders in Verbindung mit dem →Wind kündigt er eine Veränderung an.
Reisen
Das Reisen stillt alte Sehnsüchte und nährt zugleich neue. Immer beinhaltet es eine Transformation. Es ist keine Tätigkeit, sondern ein Zustand – und als solcher mindestens ebenso sehr seelischer wie physischer Natur.
Ruine
Die Ruine steht für Träume, die zerplatzt sind, für ein Leben, das in Scherben liegt, für Möglichkeiten, die zur Unmöglichkeit geworden sind. Sie steht für die Sehnsucht nach Ganzheit, für den zutiefst menschlichen Wunsch, dass alles wieder so werden möge, wie es einmal war – verbunden mit der Einsicht, dass genau dies nicht möglich ist.
Spiegel
Im Spiegel begegnet uns eine verkehrte Welt. Er ist zugleich ehrlich und trügerisch, rational und unheimlich. In ihm vermischen sich →Traum und Realität. Was ist wahr und was Schein? Die Spiegelung im Fenster lässt Aussen und Innen verschmelzen, Ebenen sich überlagern. Unvereinbares scheint plötzlich vereinbar. Manchmal lässt der Blick in den Spiegel uns klarer sehen, indem er die Verhältnisse wieder zurechtrückt. Doch dann und wann – etwa wenn sich die Landschaft im Wasser eines →Teichs spiegelt – lauert hinter dieser Doppelung auch das Unbekannte, Furchteinflössende. Beim Blick in den Spiegel müssen wir unsere eigene →Maske fallen lassen.
Stadt
Die Stadt ist der selbst geschaffene Lebensraum des Menschen. Sie bildet ein Netz fester Bezugspunkte. Somit steht sie auch für das System gesellschaftlicher Normen, dem wir uns unterordnen müssen. Im besten Fall bietet sie Schutz und ermöglicht dadurch eine geordnete Entwicklung des Individuums. Doch sie kann auch bedrückend und sogar bedrohlich sein, vor allem dann, wenn sie sich schneller entwickelt, als es dem Menschen lieb ist – letzteres besonders in Verbindung mit dem Fortschritt auf dem Gebiet der →Technologie.
Technologie
Die Technologie ist eine Krücke, die dem Mängelwesen Mensch das Leben erheblich erleichtert und ihm beispielsweise das →Reisen und den →Flug ermöglicht. Sie ist eine nie versiegende Quelle der Faszination, weckt den Spieltrieb und das Kindliche im Erwachsenen. Doch sie ist auch unberechenbar und manchmal bedrohlich, gerade dort, wo der Mensch sie sich selbst ähnlich zu machen versucht und so nach und nach die Kontrolle abgibt.
Teich
Der Teich, insbesondere im →Wald, ist geheimnisvoll und unergründlich. Zwar ermöglicht seine →spiegelnde Wasserfläche einen Blick auf das eigene Ich, doch sie verbirgt auch Unbewusstes, Verdrängtes, Bedrohliches. In ihm lebt auch das →Kappa.
Tor/Tür
Das Tor ist seinem Wesen nach Durch- und Übergang von einem Raum zu einem anderen und auch zwischen verschiedenen Welten und Zeiten. Ähnlich wie bei einem →Pass ist auch dieser Übergang bewusst. Dahinter verbirgt sich etwas Neues, oft auch etwas Unheimliches.
Traum
Der Traum erlaubt nicht nur einen tieferen Einblick in die Psyche eines Menschen, in seine Hoffnungen und Ängste, sondern er kann auch Vorzeichen sein. In ihm ist dem Menschen der →Flug möglich.
Uhr
Sie steht für die Zeit, die abläuft. Ihr Schlagen gemahnt an die Vergänglichkeit. Sie symbolisiert damit den Fluss des Lebens. Die Uhr ist etwas, zu dem man Sorge tragen muss – wie zu der Zeit, die sie anzeigt.
Vogel
Der Vogel bedeutet Freiheit. Er sieht das grosse Ganze und überwindet Raum und Zeit im →Flug. Seine Wahrnehmung ist offen. Der Vogel steht für das Beseelte in der Natur, er ist →Wald- und Schutzgeist. Immer vermittelt er zwischen den Welten. Als Singvogel steht er für Schönheit und Freiheit, als Eule für Weisheit und Prophetie. Der Spatz als Clown der Lüfte symbolisiert Unbekümmertheit und das Spielerische, Kindliche. Seevögel wiederum bedeuten Ungebundenheit, stehen aber im negativen Sinn auch für Einsamkeit und Unbehaustsein. Der Papagei schliesslich ist Sinnbild für das Exotische, für das Ausbrechen aus dem Korsett der Normen; doch sein Lebensraum ist dem Menschen auch fremd und gefährlich.
Vulkan
Der unberechenbare Feuer→berg symbolisiert Leidenschaft, Impulsivität, aber auch Gefahr. Seine Flanken heben und senken sich, als ob er ein riesiges Lebewesen wäre. An seinen Hängen kann sich Unerwartetes ereignen. Doch er bringt auch Fruchtbarkeit: Der Vulkan zerstört und erschafft zugleich Neues.
Wald
Der Wald steht für Geborgenheit, oft auch für das im besten Sinn Geheimnisvolle, Unergründliche. Er ist beseelt, bevölkert von vielen Lebewesen und Geistern. Der Wald steht dem Menschen nicht als Objekt gegenüber, sondern umfängt ihn. Manchmald hat er aber auch etwas Bedrohliches und steht dann wie das →Kappa für das Triebhafte.
Wind
Der Wind bringt immer Veränderung. Oft hat er etwas Bedrohliches. Stets scheint er aus einer anderen Welt zu wehen, er verbindet die menschliche Sphäre mit dem Transzendenten, wie der →Vogel, der mit ihm fliegt.